Und schon wieder gab es krasse trans*feindliche Angriffe. Der Tod von Malte ist erst wenige Tage her, und die Nachrichten überrollen uns. Welche neuen Angriffe wir meinen? Der trans*- misogyne Angriff auf eine 57-Jährige in einer Straßenbahn in Bremen, der aus einem Mob heraus erfolgte.[1] Dann nicht mal eine Woche später die nächste dokumentierte Attacke auf eine 49-jährige trans* Frau in Berlin. Sie wurde von einem 16-Jährigen beleidigt und mit einem Pflasterstein beworfen.[2] Allein im letzten halben Jahr wurden 10 trans*- feindliche Gewalttaten vom LSVD-Medienmonitoring erfasst.[3] Fast alle diese Attacken richteten sich gegen trans* Frauen. Fast immer wurden die Opfer dabei - zu Teilen schwer - verletzt oder wie im Fall von Malte sogar getötet. Die queerfeindlichen Angriffe seitdem lassen sich kaum auflisten, die vielen An- und Übergriffe, die es am Rande von dutzenden CSDs gegeben hat, sprechen eine deutliche Sprache. (Auch in Jena wurde am Rande des CSD mindestens ein Mann von Unbekannten beleidigt und bedroht.)[4] Die bekannt gewordenen Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs. Aus guten Gründen werden nur wenige Übergriffe überhaupt zur Anzeige gebracht - Stichwort sekundäre Viktimisierung durch "Sicherheitsbehörden" - und selbst diese werden oft genug falsch eingeordnet - der fast tödliche trans*misogyne Angriff auf die 15 Jahre junge Jess im Frühjahr diesen Jahres zeigt dies deutlich. Es ist schockierend und belastend, von all diesen Nachrichten überfahren zu werden. Immerhin scheint sichtbarer und teils trans*sensibler berichtet zu werden, was geschieht; gleichzeitig zeigen alle Statistiken eine deutliche Zunahme von queer- und trans*feindlicher Gewalt in Deutschland. Ein Spezifikum queerfeindlicher Hasskriminalität, das sich in polizeilichen Statistiken zeigt, ist, wie häufig es sich um massive körperliche Gewalt gegen Personen handelt. Sonst sagen die Statistiken uns wenig und sind auch kaum zuverlässig, weil es immer noch kein gut ausgestattetes Monitoring, geschweige denn flächendeckend gut geschulte "Sicherheitsbehörden" gibt.[5] Klar ist: Es handelt sich um ein gesamt- gesellschaftliches Problem. Genau darüber aber wollen die rassistischen Instrumentalisierungs- versuche nach dem trans*feindlichen Mord an Malte hinwegtäuschen. Einen merklichen Anteil machen Angriffe durch die extreme Rechte aus, der Großteil ist jedoch politisch gar nicht zuzuordnen. Das überrascht uns nicht, denn: Trans*- und Queerfeindlichkeit sind überall in der Gesellschaft zu finden. Sie ist sicherlich häufiger und ausgeprägter, wo die Geschlechter- und Familienideologien reaktionärer sind, aber trans*- und queerfeindliche Einstellungen durchziehen alle gesellschaftlichen Gruppen, Milieus, Segmente und Klassen.[6] Trans*feindlichkeit ist real - sie tötet, verletzt und demütigt die Opfer. Genau wie die trans*- feindlichen "Feminist*innen", die den trans*- feindlichen Mord an Malte jetzt - gegen alle Fakten - als Ergebnis von Frauen- oder Lesbenfeindlichkeit umdeuten wollen. Oder wie die Unbekannten, die nun schon zum dritten Mal die Grabstätte von Ella geschändet haben. Die trans* Frau, die aus dem Iran nach Deutschland geflüchtet war, hatte sich heute vor einem Jahr auf dem Alexanderplatz verbrannt. Sie war vor ihrer Verfolgung geflohen, doch Diskriminierung und Gewalt (gegen die sie als Aktivistin kämpfte) hatten auch hier nicht aufgehört. Man kann das Ausmaß ihrer Verzweiflung nur erahnen. Schon direkt nach ihrem Tod wurden im Krankenhaus unautorisierte Bilder ihres Leichnams gemacht und in Chats verbreitet.[7¹,²] Die Demütigung der Opfer kennt scheinbar keine Grenzen. Eigentlich wollten wir uns mit lauten, deutlichen, öffentlichkeitswirksamen Aktionen positionieren. Aber im Angesicht des tödlichen Trans*- und Queerhasses, der die gerade stattfindenden CSDs überschattet, fehlt uns die Kraft. Wir trauern, wir sind wütend, wir gedenken der Opfer. Wir planen für den 20. November, den Trans* Day of Remembrance, eine öffentliche Gedenkveranstaltung. Wer mitmachen will, kann sich gerne bei uns melden: trans-soli-vernetzung-jena@riseup.net Trans*solidarische Vernetzung Jena [1] https://www.spiegel.de/panorama/justiz/bremen-jugendliche-attackieren-transfrau-und-verletzten-sie-schwer-a-f2515944-02de-45dd-b311-bc3b2159fc3e#ref=rss [2] https://www.tagesspiegel.de/berlin/transphobe-attacke-in-berlin-jugendlicher-greift-in-friedrichsfelde-trans-frau-mit-pflasterstein-an-8633149.html [3]https://www.lsvd.de/de/ct/3958-Alltag-Homophobe-und-transfeindliche-Gewaltvorfaelle-in-Deutschland [4] https://mannschaft.com/mann-21-nach-csd-jena-homofeindlich-beleidigt-und-bedroht/ [5]https://camino-werkstatt.de/downloads/Monitoring-trans-und-homophobe-Gewalt.pdf [6]https://camino-werkstatt.de/downloads/Monitoring-trans-und-homophobe-Gewalt.pdf [7]https://taz.de/Tote-trans-Frau-Ella/!5871386/ und https://www.lsvd.de/de/ct/6470-berlin-grab-von-trans-frau-ella-mit-feuerloescher-und-benzinkanister-geschaendet
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