Kategorien
General

Auf die Stöckelschuhe! Auf die Barrikaden! Redebeitrag zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen

CN: Mord, Gewalt, Trans*feindlichkeit, Queerfeindlichkeit, Misogynie, Trans*misogynie, sexuelle und sexualisierte Gewalt

 

Im Folgenden dokumentieren wir den Redebeitrag von Yona bei der Demo am 25.11.

 

Letzte Woche, am 20.11., war der Trans* Day of Rememberance – ein Tag an dem allen bekannten und unbekannten getöteten trans* Personen gedacht wird. Wir – die Trans*solidarische Vernetzung – hatten anlässlich dessen eine Demo organisiert. Der Feministische Streik Jena war da und hat einen Redebeitrag gehalten. Wir sind heute hier am „Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“, den u.a. der Feministische Streik organisiert hat. Ich freue mich, dass das so zustande gekommen ist. Ein schönes Symbol für Solidarität!

Wir haben letzte Woche den Trans*Day of Remembrance mit der Nachricht aus Colorado Springs begonnen. Ein 22-jähriger stürmt in einen LGBTQI* Club und eröffnet das Feuer. 5 Menschen sterben. 18 weitere werden z.T. schwer verletzt. Man muss davon ausgehen, dass der Täter den Tag bewusst gewählt hatte. An dem Abend fand in dem Club eine trans* Veranstaltung statt, außerdem gab es eine drag show. Weitere Morde an trans* Personen an diesem Gedenktag – eine weitere Demütigung der Opfer. Zwei weitere getötete trans* Personen. Der Angriff war ein Angriff auf die queere Community und es macht nur bedingt Sinn über die Identität der Angegriffen zu sprechen. Für den Täter sind wir alle potentielle Ziele, weil wir nicht „normal“ sind. Dennoch zeigen Statistiken, dass trans* Personen unter allen Queers am stärksten von Gewalt betroffen sind und das obwohl nicht zwischen trans* Männlichkeiten, Weiblichkeiten, non-binären und agender Personen unterschieden wird. 96 % der bekannten, im letzten Jahr getöteten trans* Personen sind trans* Frauen bzw. trans* weibliche Personen. Trans* Frauen sind eben nicht nur von Queerfeindlichkeit betroffen, ihnen schlägt auch die Verachtung der Gesellschaft für das Weibliche entgegen, die auch cis Frauen nur allzu gut kennen.

Ja, wir sind unterschiedlich, Frauen allgemein sind so unglaublich unterschiedlich, dass sich vermutlich real nichts allen Gemeinsames finden lässt. Was gemeinsam ist, ist was über Frauen, über Weiblichkeit gedacht wird, wie sie bewertet wird, was man erwartet, wie sie zu sein hat. Die Bedeutung, die man „Frau“ gibt.

Trans* Frauen, deren Weiblichkeit gesellschaftlich prekär ist und die darüber diszipliniert werden, und cis Frauen, die vermittels ihrer angeblich ewigen Weiblichkeit diszipliniert werden sollen, sind ähnlich betroffen. Immer wird Weiblichkeit gegen uns gewendet. Sie gehört uns nicht. Nicht wir dürfen sie definieren, sondern wir werden darüber definiert. So dass es am Ende scheint, als wäre Weiblichkeit nicht mehr als ein Unterdrückungsinstrument.

Denn:

Wir werden getötet, weil wir Frauen sind. Ob sein Motiv ist, dass du ihn verlassen hast, ihm*ihr dein geschlechtlicher Ausdruck nicht passt, du dich zu sehr wehrst oder er nicht drauf klarkommt, dass er dich ficken will, obwohl du einen Penis hast, ist egal – es geht immer darum, dass du vermeintlich die Dominanz über dich in Frage stellst.

Uns wird unsere körperliche Selbstbestimmung abgesprochen, weil wir Frauen sind. Ob bei Abtreibungen, Familienplanung, beim TSG, unserer Körperbehaarung oder unserer Kleidungswahl, über deinen Körper sollen andere bestimmen.

Uns wird Lohn vorenthalten, weil wir Frauen sind. Ob für Carearbeit, weil wir nicht befördert werden, weil wir als „Freaks“ keinen Job kriegen und falls doch uns doppelt anzustrengen haben oder einfach weil die uns nahe gelegten Berufe scheiß Jobs sind. In jedem Fall sind wir sind weniger Wert.

Uns wird unsere Sexualität genommen, ob durch Gewalterfahrungen, dumme Stereotype, die Tabuisierung unserer Körper und unserer Lust oder die Abwertung abweichender Praktiken. Sexualität wird mit uns gemacht – Sex zu haben, wann und wie man Bock drauf hat gleicht einer Anmaßung.

Wir werden nicht ernst genommen, weil wir Frauen sind. Ob mit einer Vergewaltigung, im Meeting, mit unseren Schmerzen, mit unserer Geschlechtsidentität oder unserer Sexualität. Wir sollen mal nicht so ein Aufhebens machen. Definiert werden wir von Anderen.

Wir sind aber nicht nur Objekte. Und trotz all der Scheiße und der Gewalt, die wir unter Umständen erleben, sind wir hier noch am Leben, kämpfen wir uns hoch, verarbeiten wir traumatische Erlebnisse, trauern gemeinsam um die Toten, sind wir aufmüpfig und nicht unterzukriegen, sind wir Feministinnen, weil wir glauben, dass es ganz anders sein könnte. Vielleicht, dass Geschlecht eines Tages von Lust, statt von Zwang geprägt sein könnte. Es ist diese Utopie, vor der die Queer- und Trans*feind*innen genauso wie die Frauenhasser*innen jeglicher Couleur Angst haben.

Diese Utopie lebt mit uns. Denn trotz all der Scheiße und dem Hass und dem Zugriff auf Frauen, gibt es immer noch Menschen die Frauen sein wollen. Ist Weiblichkeit eben nicht nur Zwang, geht eben nicht im männlichen Zugriff auf. Sie geht darüber hinaus.

Weiblichkeit ist ein bisschen wie Stöckelschuhe. Sie sind eben nicht nur für den männliche Blick da, der gern einen schönen Arsch sehen möchte. Sie sind auch für sich schön – die Schuhe und die Ärsche. Sie erheben uns. Wir können in ihnen laufen und uns dadurch stärker, mutiger und schöner fühlen, obwohl es schwer ist in ihnen zu laufen und sie scheiße unbequem sind.

Der Täter von Colorado Springs wurde unter anderem von einer trans* Frau aufgehalten, über die – im Gegensatz zu dem ebenfalls an der Niederwerfung des Täters beteiligten Ex-Soldaten – so gut wie nicht und wenn falsch berichtet wurde. Sie soll den Täter mit ihrem Stöckelschuh verprügelt haben.

Der Legende nach, soll auch der Aufstand in der Christopher Street durch einen möglicherweise von Sylvia Rivera geworfenen Stöckelschuh ausgelöst wurden sein.

In diesem Sinne auf den Stöckelschuh! Darauf, dass wir nicht unterzukriegen sind, darauf, dass wir trotz allem mutig, stark und schön sein können. Wir holen uns unser Leben zurück, die Nacht, die Straßen, die Wohnungen, den Sex, die Schönheit, die Liebe, unsere Körper… das alles ist auch für uns!

Auf die Stöckelschuhe! Auf die Barrikaden!